Das Steinbruchkonzept:
Entwicklung der Steinbrüche im Naturpark Altmühltal (Landkreise Weißenburg/Gunzenhausen und Eichstätt)
                
1. Grundlagen

Basis für das Steinbruchkonzept war das Artenhilfsprogramm für den Apollofalter, welches das Grundlagenwissen um den Apollofalter bereitstellte und bereits eine Sensibilisierung mit der Thematikbei bei einigen Steinbruchbetreibern bzw. Flächeneigentümern in der Region aufgrund der vorausgegangenen Arbeiten erzielt hatte.
Naturschutzfachlich ist es von hoher Bedeutung, die Steinbruchhalden als eigenständige Lebensräume für eine Reihe von Fels- und Rohboden besiedelnden Arten zu erhalten, wobei der Apollofalter als Zielart herangenommen wurde.

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Der Apollofalter ist die Zielart, auf die das Steinbruchkonzept ausgerichtet ist. Im Bild sieht man ein Weibchen zwischen Kalkscherben bei der Eiablage.

Denn aufgrund der aufgegebenen Nutzung von Magerrasen (primäre Habitate) verbuschten diese zunehmends, so dass der Apollofalter hier keinen Lebensraum mehr fand und in Steinbruchhalden (sekundäre Habitate) ausweichen musste, wo er sich bis heute halten konnte. Durch geänderte Abbaumethoden ist aber auch dieser von Menschen geschaffene Lebensraum stark im Rückgang begriffen.

Über den angestrebten Biotopverbund von natürlichen, primären und durch Menschen entstandenen, sekundären Habitaten soll einerseits eine Stabilisierung einzelner (Teil-)Populationen des Apollofalters erreicht werden. Zum anderen soll auch eine Wiederbesiedelung der primären Habitate (Felsen und felsreiche Magerrasen) durch die derzeit als „Artenreservoir“ fungierenden Steinbruchhalden zukünftig  gewährleisten werden.

 

2. Das Projektgebiet

Das Projektgebiet liegt im Altmühltal inmitten der Südlichen Frankenalb und umfasst Steinbrüche und felsdurchsetzte Magerrasen in den Landkreisen Weißenburg-Gunzenhausen und Eichstätt in den Grenzen des Naturparks Altmühltal.

 

Steinbruchhalden

Großes Steinbruchhalden-Gebiet in der Südlichen Frankenalb als Lebensraum des Apollofalters.


3. Zielstellung

Wesentliche Zielsetzung des Konzeptes war es, naturschutzkonforme Richtlinien bezüglich des aktuellen und geplanten Steinabbaues auszuarbeiten. Hierbei bilden zum einen die längerfristige Absicherung und der Schutz und die Pflege naturschutzbedeutsamer, alter Kalkschutthalden und zum anderen der fachgerechte, zeitlich und räumlich abgestimmte Aufbau neuer Haldenschüttungen den Kern der Konzeption.
Von Bedeutung für die Umsetzung der Richtlinien war, dass der aus naturschutzfachlicher Sicht optimale Haldenaufbau auch in den täglichen Betriebsablauf eingebunden werden konnte. Für eine optimale betrieblichen Umsetzung der Richtlinien wurden die Ergebnisse bzw. Forderungen textlich festgehalten und auf Karten verdeutlicht.
Die Sicherung alter, naturschutzbedeutsamer Halden bzw. die Einhaltung naturschutzrelevanter Richtlinien sollte einerseites durch Selbstverpflichtung und soweit als möglich auch rechtsverbindlich erfolgen. Eine gewisse Transparenz der naturschutzfachlichen Forderungen sollte u.a. durch separate Termine und Ortsbegehungen mit Vertretern der Betriebe bzw. Flächeneigentümern erzielt werden.

 

4. Umsetzungsmöglichkeiten

Sicherung naturschutzfachlich bedeutsamer Halden

Optimaler Sedumbewuchs

Naturschutzbedeutsamer Haldenbereich mit optimalem Bewuchs mit Weißer Fetthenne.

Um einen langfristigen Schutz von naturschutzfachlich bedeutsamen Halden im laufenden Steinbruchbetrieb zu gewährleisten, ist es zunächst notwendig, dass das Wissen um die Bedeutung der betreffenden Halde/n vorhanden ist. Das Fundament der Absicherung wurde mit der Ausarbeitung einer Kartengrundlage gelegt, die sich auf eine aktuelle Kartierung der Steinbrüche und Haldenbereiche bezieht. In diese Kartengrundlage wurde die naturschutzfachliche Wertigkeit einer jeden Halde eingezeichnet.
Darüber hinaus wurden mit den Steinbruchbetreibern bzw. Flächeneigentümern und auch Arbeitern Ortstermine durchgeführt, um die Bedeutung  der Karte und Umsetzung der Karten-Informationen im alltäglichen Betriebsablauf aufzuzeigen und zu veranschaulichen.

Eine Sicherung bzw. der Erhalt naturschutzfachlich bedeutsamer Halden wird dadurch erreicht, dass die entsprechenden Halden nicht im innerbetrieblichen Ablauf weggweräumt bzw. mit ungeeignetem Gesteinsmatrial überschüttet werden. Um eine unwissentliche, zufällige Beeinträchtigung bzw. Zerstörung (u. a. auch durch motorisierte Besucher / Hobbyarchäologen etc.) weitgehend ausschließen zu können, besteht die Möglichkeit, noch vorhandene Auffahrten durch Absperrungen mit großen Gesteinsquadern oder durch eine Beschrankung zu sperren.
         
Aufbau und Optimierung neuer Haldenschüttungen

Früher entstanden Abraumhalden, die stets mit erdefreiem Kalkplattenmaterial (Brecherschuttt), dem beim Abbau zuletzt anfallenden Material, abgedeckt wurden. Diese Abdeckung kam in ihren Eigenschaften einem natürlichen Felssystem gleich, weshalb der Apollofalter Steinbruchhalden als Lebensraum nutzen konnte. Mit der neuen, stark maschinell geprägten Abbauweise werden Halden allerdings nicht mehr notwendiger Weise mit Brecherschuttt abgedeckt. Des Weiteren sah man in den 70er Jahren Steinbruchhalden als „Wunden in der Landschaft“ an. Aus diesem Grund entwarf und praktizierte man eine Rekultivierung, wobei mittels Schüttung aus erdereichem Material und Humusauftrag schnell eine Verdeckung der Halden durch Gehölzbewuchs erreichen wollte. Allerdings verhinderte man so auch die wichtigen frühen Sukzessionsstadien, d.h. offenen, steinigen Boden.

Neuschüttung

Neuschüttung einer Halde nach naturschutzfachlichen Vorgaben. Auf dem Schild steht: "Betreten verboten! Rekultivierung mit Kalkscherben für den Apollofalter."

Ziel des Naturschutzes muss es also sein, mit der heutigen Abbautechnik den damaligen, wertgebenden Haldenaufbau wieder zu erhalten.
Die Forderung des Naturschutzes lautet, dass die abdeckende Gesteinsschicht wieder aus magerem, erdefreiem Brecherschutt aufgebaut werden muss. Für den Steinbruchbetreiber stellt sich diese naturschutzfachliche Forderung als durchaus annehmbar dar, da es in aller Regel kostengünstiger ist, eine Halde mit Brecherschutt abzudecken als diese nach forstlichen Vorgaben zu rekultivieren (d.h. die Kosten für Erde und Baumanpflanzungen entfallen). Allerdings ergibt sich ein gewisses logistisches Problem, denn zum Zeitpunkt der Endabdeckung einer Halde muss das geeignete Material zur Verfügung stehen. Es hat sich aber gezeigt, dass dieses Problem zu lösen ist. Auch weitere Voraben bezüglich des Aufbaus und der Oberflächenstruktur einer Halde lassen sich ohne größere Probleme in der Praxis umsetzen.
         
Förderung einer zeitlich und lokal dynamischen Entstehung von Halden u.a. durch ein Umweltkonto.
Auf den Steinbruchhalden wechseln sich mit der Zeit verschiedene Lebensgeneinschaften ab. Zunächst besiedeln Flechten und Moose das Gestein, dann folgen Pionierpflanzen wie die von den Apollo-Raupen genutzte Weiße Fetthenne. Im weiteren Sukzessionsverlauf folgen Gräser, Büsche und schließlich Bäume.
Die geänderten Abbaumethoden und die Überschüttung der Halden mit Erde haben dazu geführt, dass derzeit sowohl ein Minderangebot an neuen, geeigneten Halden als auch ein Defizit an Pionierstadien-tragenden Halden besteht. Ein wichtiges Ziel des Steinbruchkonzeptes muss es daher sein, diesen Defiziten entgegenzuwirken und den „Sukzessions-Kreislauf“ wieder zu beleben. D.h. wenn an der einen Stelle eine bewaldete Halde aus dem Sukzessions-Kreislauf austritt, sollte an anderer Stelle eine neue, erdefei abgedeckte Halde entstehen und so die alte Halde ersetzen können. Durch den ständigen Aufbau neuer Halden sollte es immer ein  Angebot an allen, insbesondere den frühen Sukzessionsstadien geben.

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Unerwünschter Fichtenaufwuchs auf einer mit lehmhaltigem Material abgedeckten Halde.

 

Räumlich ungerichtete Entstehung neuer Halden und Haldenabdeckungen:
Da die Ausbildung der erwünschten Pioniervegetation von der Deckschicht einer Halde abhängt, kann grundsätzlich jede Halde durch eine erneute Überschüttung in den „Sukzessions-Kreislauf“ wiedereingebracht werden. Das bedeutet, dass die adäquate Abdeckung einer bereits bestehenden Halde im Ergebnis mit dem Aufbau und der adäquaten Abdeckung einer völlig neuen Halde gleichgesetzt werden kann. Dadurch ergibt sich für den Steinbruchbetreiber ein deutlich erweiterter Handlungsrahmen. Die Wahl, entweder bestehende Halden neu abzudecken oder völlig neue Halden aufzubauen, bleibt letztendlich ihm überlassen und kann in den Betriebsablauf integriert werden. Aufgrund der für das Projektgebiet erstellten Karte, in der einzelne Halden bewertend gekennzeichnet wurden, steht dem Steinbruchbetreiber zusätzlich die Information über potenziell neu abdeckbare Halden zur Verfügung.

Kontrollierte räumliche Steuerung von Haldenschüttungen:
Die kontrollierte räumliche Steuerung von Haldenschüttungen erfolgt ebenfalls durch die Kartengrundlage, in der zu vielen Teilgebieten Verweise (über den Bezug zu einem, den Steinbruchbesitzern zur Verfügung stehenden Bericht) auf konkrete Situationen und Absprachen gegeben sind. Für spezielle Steinbruchbereiche gibt es textliche Beschreibungen, in denen die Situation eines bestimmten Areals beschrieben und notwendige Vorgehensweisen erläutert werden. Auf diese Weise werden z.B. Areale, in denen es aus verschiedenen Gründen notwendig ist, sehr schnell oder in einem bestimmten Zeitrahmen neue Halden aufzubauen resp. Halden erneut abzudecken, behandelt. Trotzdem wird auch hier insofern ein Höchstmass an Flexibilität angestrebt, als die Errichtung der Halden bzw. Haldenabdeckungen innerhalb dieses Areals ebenfalls die oben geschilderten Auswahlkriterien zulassen und damit die individuelle Einbindung in die innerbetrieblichen Planungen ermöglicht wird.

Umweltkonto:
Das geschilderte Maßnahmenpaket erscheint grundsätzlich geeignet, das Defizit geeigneter, neuer Halden zukünftig zu verringern. Auch wenn viele Steinbruchbetreiber ihre Absicht zur Umsetzung der Vorgaben bekundet haben, sollte dennoch ein weiterer Anreiz geschaffen werden, um den Aufbau neuer Halden zu fördern. Diese Förderung soll durch die Einrichtung eines sog. Ausgleichs- oder Umweltkontos geschehen. Auf diesem Konto werden beispielsweise alle adäquaten Haldenaufbauten und -abdeckungen nach vorheriger Anmeldung und Abnahme durch die jeweils zuständige Untere Naturschutzbehörde dem jeweiligen Betrieb gutgeschrieben. Später kann diese Gutschrift bei erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen dann eingebracht werden.
Ein derartiges Umweltkonto hat für beide Seiten mehrere Vorteile: 1) Der Aufbau resp. die Abdeckung von Halden wird zügig umgesetzt. 2) Die Maßnahmen können weitestgehend durch den Betreiber selbst bestimmt und auf die innerbetrieblichen Erfordernisse angepasst werden. Neue Halden werden so i.d.R. früher geschüttet als bei direktem Ausgleich. 3) Aufgrund der Konto-Gutschrift ergibt sich eine zeitliche und räumliche Entzerrung bezüglich der Erfüllung von Ausgleichsmaßnahmen, was sowohl der Steinindustrie als auch dem Naturschutz entgegenkommt.

 

5. Erzielte Ergebnisse

In allen konkret besprochenen Fällen wurde eine langfristige Absicherung naturschutzfachlich bedeutsamer Halden zugesagt. Teilweise wurden im Rahmen größerer Konzeptionen rechtsverbindliche Sicherungen ausgehandelt. Nur in wenigen Fällen ergaben sich Interessenkonflikte bei denen dann Kompromisslösungen ausgearbeitet und vereinbart wurden.

Derzeit erfolgten bereits erste Gutschriften auf das sog. Umweltkonto, was bedeutet, dass dieses Konzept sowohl von den Steinbruchbesitzern akzeptiert als auch umgesetzt wird.

Im Sommer 2006 kamm es dann schließlich zu der feierlichen Besiegelung des Umweltpaktes zwischen der Steinbruchindustrie und den Regierungen von Oberbayern und Mittelfranken. Im Zentrum des Pakts steht, wie bereits beschrieben, der Schutz bestehender und der Aufbau neuer Halden, zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen.
   

Das Logo zum Umweltpakt.

              

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